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Digitaler Nachlass – Zugang zum Benutzerkonto für die Erben

von Julia Goth, Julia Wagner | 21.10.2020

Bild von Photo Mix auf Pixabay

Wer darf über eine Social Media-Benutzerprofil verfügen, wenn der Benutzer stirbt? Diesen Aspekt des „digitalen Nachlasses“ hatte der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor zwei Jahren zu klären. Er sprach aus, dass der Vertrag über ein Benutzerkonto für ein soziales Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Nutzers übergeht. Die Erben haben demnach einen Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto und seinen Inhalten. In einer aktuellen Entscheidung konnte der BGH präzisieren, in welchem Umfang dieser Zugang zu gewähren ist. Sind die in Deutschland gezogenen Schlüsse auf Österreich übertragbar?

1. Sachverhalt

Die ursprüngliche Entscheidung betraf die Klage zweier Eltern, deren Tochter verstorben war. Die Tochter war Nutzerin des sozialen Netzwerks Facebook. Nach dem Tod der Tochter begehrten die Eltern – letztlich im Rechtsweg – von Facebook Zugang zu deren vollständigen Benutzerkonto und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten. Das Landgericht sprach den Eltern dieses Recht zu; der BGH bestätigte diese Entscheidung im Instanzenzug. Nach Rechtskraft des Urteils übergab Facebook den Eltern einen USB-Stick, der eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthielt – eine Kopie der ausgelesenen Daten des Kontos der Verstorbenen. Die Eltern zogen nochmals vor Gericht, wo sie beklagten, dass Facebook dem Richterspruch unzureichend nachgekommen wäre. Dies bot dem BGH die Möglichkeit, klarzustellen, in welcher Art und in welchem Umfang Erben der Zugang zum Benutzerkonto zu gewähren ist.

2. Zum Umfang der Zugangsgewährung

Mit Beschluss vom 27.08.2020 stellte der BGH fest, dass die von Facebook gewählte Vorgangsweise keinen „Zugang zum Benutzerkonto“ im aufgetragenen Ausmaß gewährt. Da das Vertragsverhältnis mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die Erben übergegangen ist, sind die Eltern als neue Kontoberechtigte anzusehen, denen auf dieselbe Art und Weise Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren ist, wie zuvor der verstorbenen Tochter. Den Eltern ist daher die Möglichkeit einzuräumen, sich in dem Benutzerkonto (mit Ausnahme der aktiven Nutzung) so „bewegen“ zu können, wie dies zuvor die verstorbene Tochter konnte. Die Übergabe eines USB-Sticks mit einer PDF-Datei reicht nur dann aus, wenn dies dieselbe Funktionalität aufweist wie das Benutzerkonto selbst, dh neben den Inhalten auch sämtliche Funktionalitäten des Benutzerkontos abbildet.

3. Was bedeutet das für den „digitalen Nachlass“ in Österreich?

3.1 Nutzer-Account als Teil der Verlassenschaft

Die Verlassenschaft des Verstorbenen bildet gem § 531 ABGB die Summe aller Rechte, mit Ausnahme jener, die höchstpersönlicher Art sind.

Nach überwiegend österreichischer Ansicht treten Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte als Nutzer von Online-Plattformen ein und werden somit auf diesem Weg „neuer“ Vertragspartner des Plattform-Betreibers, sodass ein Social-Media-Nutzungsverhältnis grundsätzlich als vererblich gilt (sogenannter „digitaler Nachlass“).

3.2 Keine Frage des Rechts auf Datenschutz

Aus datenschutzrechtlicher Perspektive steht einer Gesamtrechtsnachfolge des „digitalen Nachlasses“ grundsätzlich (auch) nichts im Weg. Denn der Schutzbereich des Datenschutzrechtes beschränkt sich auf lebende Personen, sodass mit dem Tod der betroffenen Person der Datenschutz erlischt (DSB 18.11.2015, DSB-D122.367/0007-DSB/2015). Der österreichische Gesetzgeber hat von seinem von der DSGVO eingeräumten Recht, hier einen weitergehenden Schutz zu schaffen, nicht Gebrauch gemacht, sodass weder die DSGVO, noch das österreichische DSG (Datenschutzgesetz) auf Verstorbene anwendbar ist.

3.3 Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Einer schrankenlosen Zugangsgewährung zu Nutzer-Accounts könnte jedoch das allgemeine, in § 16 ABGB verbriefte Persönlichkeitsrecht des/der Verstorbenen entgegenstehen.

Soll der Zugang zum Nutzer-Account nämlich höchstpersönliche Kommunikationsinhalte umfassen, also Inhalte, die an die Person des Verstorbenen geknüpft waren (zB Chat-Nachrichten), wäre der Zugang zu diesen Inhalten aufgrund des Persönlichkeitsrechtes grundsätzlich zu verweigern. Man spricht vom sogenannten „postmortalen Persönlichkeitsrecht“ – der Schutz der freien Persönlichkeit soll demnach nach österreichischem Recht auch nach dem Tod aufrecht bleiben (Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), Kurzkommentar zum ABGB6 § 16 ABGB, Rz 5; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 ABGB, Rz 51).

In der österreichischen Literatur wird jedoch auch vertreten, dass ein Zugang auf höchstpersönliche Inhalte möglich sein soll, sofern der Verstorbene nichts Gegenteiliges verfügt hat (Thiele, Der digitale Nachlass – Erbrechtliches zum Internet und seinen Diensten, jusIT 2010/79).

Eine andere Ansicht vertritt, dass ein Zugang zu den Inhalten grundsätzlich nicht zu gewähren ist, es sei denn, die Herausgabe ist durch ein überwiegendes Interesse (der Erben) gerechtfertigt. Folglich müsste daher im Einzelfall eine Interessenabwägung durchgeführt werden, um die Herausgabe von Zugangsdaten begehren zu können bzw um Zugang zu den Kommunikationsinhalten zu erlangen (Böhsner, Digitale Verlassenschaft – Tod im „Social Network“, Zak 2010/635).

Letztere Ansicht erscheint unseres Erachtens sachgemäß. Mit Bezug auf den gegenständlichen Sachverhalt wird man annehmen können, dass – im Anlassfall vor dem BGH etwa die Eltern der Verstorbenen – ein überwiegendes Interesse im Sinne des § 16 ABGB (etwaige Informationen über den Tod der Tochter) darlegen können und ihnen somit auch Zugang zu den (höchstpersönlichen) Benutzerinhalten zu gewähren ist.

Zusammenfassend sprechen gute Gründe dafür, dass ein Anspruch des Erben auf Zugang zu den Benutzerkonten und Kommunikationsinhalten des verstorbenen Social Media-Nutzers auch in Österreich gerichtlich durchsetzbar wäre, vorausgesetzt es wurde die Vererbbarkeit eines Nutzungsvertrages nicht (vorab) vertraglich ausgeschlossen (soweit dies in Nutzungsbedingungen / AGB wirksam vereinbart werden kann).

4. Wie kann vorgesorgt werden?

Bereits jetzt wird von mehreren Unternehmen eine sogenannte „digitale Nachlassverwaltung“ angeboten (so etwa hier). Im Rahmen dieser werden etwa die Zugangsdaten der Accounts verwahrt, das WorldWideWeb nach „digitaler DNA“ des Verstorbenen durchsucht, Verbindung mit den Betreibern der Social Media-Dienste aufgenommen und die entsprechenden Verträge auf Wunsch des Verstorbenen gekündigt oder auf dessen Erben übertragen.

Um Klarheit über das Schicksal der persönlichen Social Media-Accounts nach dem Tod zu schaffen, könnte freilich zu Lebzeiten Erben mitgeteilt werden, welche Social Media-Dienste genutzt werden bzw welche Accounts bestehen. Ebenso können eindeutige Festlegungen über den „digitalen Nachlass“ in Form einer letztwilligen Verfügung getroffen werden, denn so kann ein rascher und vor allem komplikationsloser Zugriff auf Daten eines Social Media-Dienstes für die Erben ermöglicht werden.

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