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Im falschen Film? – Constantin Film unterliegt im Streit um Urheberrechte

von Markus Gaderer, Linda Trstena | 07.09.2020

Photo by NordWood Themes on Unsplash

Werden auf Online-Plattformen Videos illegal hochgeladen, muss der Plattform-Betreiber dem Urheber lediglich die Postanschrift preisgeben. Doch welcher Raubkopierer verrät der Plattform schon seine Postanschrift?

In seiner jüngsten Entscheidung Constantin Film Verleih hielt der EuGH fest, dass Urheber von Videoplattformen, auf denen unbefugt Inhalte hochgeladen wurden, lediglich die Postanschrift der Raubkopierer herausverlangen dürfen – und nicht etwa auch die Telefonnummer oder E-Mail- und IP-Adresse. Ein Urteil mit Konsequenzen, denn die Crux lautet: Die meisten Plattformen kennen die Postanschrift ihrer Nutzer nicht.

Werden beispielsweise Videos auf YouTube hochgeladen, müssen sich die Nutzer zuvor mit einem Google-Nutzerkonto bei YouTube registrieren und dabei einen Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben – nicht jedoch die Wohnadresse. Um Videos von mehr als 15 Minuten Länge auf der Plattform zu veröffentlichen, muss außerdem eine Mobiltelefonnummer angegeben werden, an die ein Freischaltcode übermittelt wird, der für die Veröffentlichung benötigt wird. Zuletzt willigen die Nutzer nach den Nutzungs- und Datenschutzbedingungen in die Speicherung der IP-Adresse ein. Die Postanschrift muss hingegen weder bekanntgegeben werden noch wird sie verifiziert.

1. Der Anlassfall

Anlassfall war ein in Deutschland letztlich beim Bundesgerichtshof anhängiges Verfahren zwischen Constantin Film und der Online-Videoplattform YouTube. Vor einigen Jahren wurden hier die Filmwerke „Parker“ und „Scary Movie 5“ hochgeladen, jedoch ohne vorher die Einwilligung von Constantin Film – der rechtmäßigen Inhaberin der Nutzungsrechte – einzuholen. Daraufhin verlangte Constantin Film von Youtube die größtmögliche Auskunft über die Filme-Uploader.

2. Zum Auskunftsanspruch des Urhebers

Der Auskunftsanspruch des Urhebers ist in Österreich in § 87b Abs 2 UrhG geregelt, welcher die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/48/EG („Durchsetzungsrichtlinie“) darstellt. Im österreichischen Urheberrechtsgesetz spricht der Gesetzgeber davon, dass „Auskunft über den Ursprung […] der rechtsverletzenden Waren“ verlangt werden kann; die Auskunft umfasst inhaltlich „Namen und Anschrift“ des Rechtsverletzers. Ganz ähnlich ist die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie in Deutschland erfolgt.

Zwar gibt es mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs im Hinblick auf Entschädigungsansprüche innerhalb der §§ 87 ff UrhG, aber bislang keine Rechtsprechung, die den Auskunftsanspruch nach § 87b Abs 2 UrhG eingehend behandelt.

In Artikel 8 derDurchsetzungsrichtlinie, der das Recht auf Auskunft regelt, ist ebenso lediglich von der „Adresse der Hersteller […]“ die Rede. Was genau nun unter den Begriff der „Adresse“ fällt, hat der Unionsgesetzgeber offen gelassen.

Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass eine E-Mail-Adresse vom Begriff der „Anschrift“ in § 101 Abs 3 Nr 1 dt. UrhG erfasst wäre. Unter diesen Ausdruck könnten nämlich nicht nur die den Wohnsitz des Nutzers bezeichnende Postadresse, sondern auch E-Mail-Adressen als Anschrift der elektronischen Post gefasst werden.

Hingegen wäre die IP-Adresse keine Anschrift oder Adresse, unter der ein Nutzer wohnhaft oder erreichbar ist. Sie wäre auch keiner bestimmten Person, sondern lediglich einem Gerät zugeordnet. Die IP-Adresse ermöglicht deshalb keine zureichende Identifikation einer Person selbst.

Auch wenn Verletzer von Rechten des geistigen Eigentums mit Hilfe der verwendeten IP-Adresse einfacher und effizienter ermittelt werden können, spricht gegen eine Auskunft über diese Daten möglicherweise die damit einhergehende Beeinträchtigung des Rechts der Nutzer auf Achtung ihres Privatlebens (Art 7 EU-Grundrechtecharta) und der Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Art 8 EU-Grundrechtecharta).  Problematisch würde sich die Auskunft über die IP-Adresse vor allem dann erweisen, wenn der Anschlussinhaber nicht auch zugleich der Rechtsverletzer ist und somit durch die Herausgabe der IP-Adresse möglicherweise in das Recht auf Privatleben unbeteiligter Dritter eingegriffen wird.

Da die Regelung allerdings auf das Unionsrecht zurückgeht, hat der deutsche Bundesgerichtshof den EuGH um Auslegung des Begriffs ersucht.

3. Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH hielt in seiner Entscheidung nun fest, dass die Durchsetzungsrichtlinie, anders als vom Bundesgerichtshof angenommen, Plattformen nicht verpflichtet, dem Inhaber der Nutzungsrechte (auch) die E-Mail- oder sonstige Daten bekannt zu geben, auch wenn das die einzigen Informationen sind, über die die Plattform verfügt. Vielmehr sei mit „Adresse“ lediglich eine (physische) Postanschrift gemeint. Wurde ein Recht des geistigen Eigentums im Sinne der RL 2004/48/EG verletzt, können die Mitgliedsstaaten den Inhabern aber einen weiter gehenden Auskunftsanspruch einräumen – freilich nur unter Wahrung des Gleichgewichts der betroffenen Grundrechte sowie der Verhältnismäßigkeit. Bislang haben das aber weder Österreich noch Deutschland getan.

Das hat erhebliche praktische Konsequenzen: In der Praxis könnte die Weigerung oder Unmöglichkeit der Herausgabe dieser Daten dazu führen, dass die Ansprüche des Rechteinhabers praktisch kaum durchgesetzt werden können.

4. Was bedeutet das für Österreich?

Der österreichische Gesetzgeber hat in § 87b UrhG anstelle des Wortes „Adresse“ (wie in der Richtlinie) festgelegt, dass die „Anschriften“ der Hersteller vom Auskunftsanspruch des Rechteinhabers umfasst sind.

Bei richtlinienkonformer Auslegung sind die Begriffe der „Adresse“ und der „Anschrift“ – wie der Bundesgerichtshof auch für die Rechtslage in Deutschland ausführte – gleichzusetzen.

Folglich wird auch für die innerstaatliche Rechtslage gelten, dass Daten wie Telefonnummer und die IP- sowie die E-Mail-Adresse nicht vom urheberrechtlichen Auskunftsanspruch mitumfasst sind.

5. Ausblick

Kann der eigentliche Rechtsverletzer nicht ausgemacht werden, könnten Rechteinhaber erwägen, sich direkt gegen den Plattformbetreiber zu wenden. Zur Frage, ob dies möglich ist, ist derzeit ein weiteres Vorabentscheidungsverfahren anhängig. Rechteinhaber könnten aber gerade auf die nächste Niederlage zusteuern: Der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen eine Haftung der Plattformen abgelehnt. Gewissheit wird es in wenigen Monaten mit der Entscheidung des EuGH geben.

Angesichts dieser Entwicklungen sieht es für Rechteinhaber düster aus. Will man sie nicht mit möglicherweise untauglichen Auskunftsrechten allein lassen, läge es an den nationalen Gesetzgebern, im Rahmen der ihnen zustehenden Befugnisse weitergehende Auskunftsansprüche vorzusehen. Welche das sein könnten, hat der Bundesgerichtshof ja bereits aufgezeigt. Willkommen im 21. Jahrhundert!

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