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Streit um Urheberrechte Teil II – direkte Haftung des Plattform-Betreibers!?

von Markus Gaderer, Julia Wagner | 29.06.2021

Fortsetzung im Streit um Urheberrechte!

Wie bereits in unserem Beitrag „Im falschen Film? – Constantin Film unterliegt im Streit um Urheberrechte“ berichtet, haben Urheber, deren Videos illegal auf Online-Plattformen durch Nutzer hochgeladen werden, gegenüber dem Plattformbetreiber lediglich einen Anspruch auf Bekanntgabe der Postanschrift. Dass ein solch eingeschränkter Auskunftsanspruch für den Rechteinhaber in der Praxis wenig hilfreich ist, müssen wir wohl nicht näher erörtern; wir kennen keinen Betreiber, der bei Registrierung die Vorlage einer Wohnsitzbestätigung, eines Firmenbuchauszugs oä verlangt.

Der EuGH behandelte im Rahmen eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens nun aber die Frage, ob sich Rechteinhaber im Fall eines illegal auf eine Plattform hochgeladenen Videos direkt an den Plattformbetreiber wenden und diesen zur Haftung heranziehen können.

Nun, Rechteinhaber müssen wir leider schon an dieser Stelle enttäuschen, denn der EuGH hat in seiner Entscheidung Frank Peterson festgestellt, dass Plattformbetreiber grundsätzlich keine Haftung trifft und somit durch den Rechteinhaber nicht direkt zur Haftung herangezogen werden können. Begründet wird dies vor allem mit dem Umstand, dass Betreiber von Online-Plattformen selbst keine Handlungen der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 2001/29/EG („Urheberrechtsrichtlinie“) vornehmen und daher für einen Verstoß gegen diese Bestimmung auch nicht unmittelbar haften, wenn ihre Nutzer geschützte Werke rechtswidrig online stellen.

Die Tapferen unter den Rechteinhabern lesen bitte rasch weiter, denn es gibt Ausnahmen, an die man sich nicht bloß klammern, sondern sie genau prüfen sollte:

Wenn der jeweilige Plattformbetreiber bestimmte „Gesichtspunkte“ erfüllt, die zu einem eigenen Tätigwerden in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens und damit zu einer eigenen öffentlichen Wiedergabe führen, kann das unter Umständen zu einer Haftung führen. Solche maßgeblichen Gesichtspunkte sind laut EuGH zB:

  • die Tatsache, dass ein Betreiber einer Plattform, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform durch Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, keine geeigneten technischen Maßnahmen ergreift (wie zB in Form einer unverzüglichen Löschung oder Sperrung des Zuganges), sowie
  • die Tatsache, dass ein Plattform-Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist,
  • auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder
  • ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf der Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.

Diese „Gesichtspunkte“ wurden durch die EuGH-Entscheidung jedoch nicht neu „erfunden“, vielmehr erläuterte der EuGH bereits (unter anderem) in der Entscheidung 12.07.2011, C-324/09 Merkmale der Verantwortlichkeit von Online-Marktplatz-Betreibern für die von Nutzern hervorgerufenen Verletzungen des Markenrechts, die sich durchaus mit den „Gesichtspunkten“ der aktuellen EuGH-Entscheidung decken. Dort hatte ein Kosmetikhersteller eBay vorgeworfen, nicht ausreichend gegen Markenverletzungen seiner Nutzer vorzugehen. Wenngleich das Unionsrecht Anbietern von Online-Diensten wie Betreibern von Internetmarktplätzen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von der Verantwortlichkeit gewährt, kann sich ein Betreiber eines Online-Marktplatzes aber laut EuGH dann nicht auf eine solche Ausnahme berufen, wenn er für die Rechtsverletzung – auch wenn er sie nicht selbst begehtHilfe leistet. Der EuGH hat die Hilfestellung in diesem Fall zB darin gesehen, dass eBay bei der Optimierung oder Bewerbung der Onlineverkaufsangebote (unter anderem mithilfe von Google AdWords) eine aktive Rolle spielte. Und auch ohne „aktive Rolle“ fällt die „Ausnahme von der Verantwortlichkeit“, wenn sich der Betreiber einer durch Nutzer begangenen Rechtswidrigkeit bewusst war und nicht sofort dagegen vorgegangen ist, indem er die betreffenden Daten entfernt oder den Zugang zu ihnen sperrt.

Ob ein Gesichtspunkt durch den Plattformbetreiber gesetzt / erfüllt wurde, obliegt letztlich der Beurteilung des jeweiligen nationalen Gerichts; dennoch hat der EuGH – um wieder auf die aktuelle Entscheidung zurückzukommen – Anhaltspunkte dafür geliefert, wie die Verantwortung der streitgegenständlichen Plattformen YouTube und Uploaded durch das nationale Gericht (im konkreten Fall durch den dt. BGH) beurteilt werden könnte:

  • Eine Haftung von YouTube wäre demnach (wohl) abzulehnen, da – so der EuGH – keine Beteiligung der Plattform an der Einstellung und Auswahl der Inhalte vorliegt. Der Vorgang erfolgt vielmehr automatisiert ohne Sichtung und Kontrolle. Die Nutzungsbedingungen bzw Communityregeln von YouTube erlauben weiters keine Urheberrechtsverletzung(en). YouTube trifft außerdem umfassende technische Vorkehrungen, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern („Content Verification Program“, „Content ID“).
  • Was jedoch die Verantwortlichkeit der Plattform Uploaded anlangt, so lässt der EuGH eher die Möglichkeit einer Haftung erkennen. Zwar liegt auch hier kein Erstellen, Auswählen, Sichten, Kontrollieren von Inhalten durch den Plattformbetreiber selbst vor und werden Urheberrechtsverstöße in den Nutzungsbedingungen ebenso untersagt.
    Aber – so der EuGH – könne sich die Vorsätzlichkeit des Betreibers dieser Plattform bei seinem Tätigwerden aus dem Umstand ergeben, dass das von diesem Betreiber gewählte Geschäftsmodell auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte auf seiner Plattform beruht und seine Nutzer dazu verleiten soll, solche Inhalte über diese Plattform zu teilen. In letzter Konsequenz hat dies jedoch das nationale Gericht zu klären.

Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/790 – Urheberrechtsgesetz-Novelle 2021?

Anzumerken ist, dass der EuGH die Haftung der Internet-Plattformen anhand der zur maßgeblichen Zeit bestehenden Rechtslage geprüft hat, die sich aus der Richtlinie 2001/29 über das Urheberrecht, der Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ergibt.

Die Vorlagefragen betreffen daher nicht die später anwendbar gewordene Regelung, die durch Artikel 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt eingeführt wurde, welcher ausdrücklich unter anderem eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit für Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten vorsieht.

Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/790 in das österreichische Recht lässt noch auf sich warten, während in Deutschland Artikel 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 bereits in das Urheberrechtsdienste-Anbieter-Gesetz umgesetzt wurde und mit 01. August 2021 in Kraft treten wird. Vorgesehen ist, dass Plattformen haften, wenn bei ihnen Videoclips oder Musik illegal hochgeladen werden. Für Inhalte, die ihre Nutzer verbreiten, müssen sich die Plattformen Lizenzen zB bei Künstlern und Autoren besorgen. Ohne eine solche Lizenz müssen die Inhalte gelöscht werden oder die Plattformen von vorneherein – durch sogenannte Uploadfilter – verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte hochgeladen werden. Diese Uploadfilter sind allerdings nicht gänzlich unumstritten, denn Kritiker befürchten, dass durch die eingesetzten Filter auch legale Inhalte herausgefiltert und damit gesperrt werden könnten, was durchaus die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet bedrohen könnte.

Da der österreichische Gesetzgeber in Sachen Umsetzung der Richtlinie hinterherhinkt, bleibt es abzuwarten, wie dieser die Richtlinie (EU) 2019/790 – insbesondere Artikel 17 – in das nationale Recht umsetzen wird – es bleibt daher spannend, wir halten Sie auf dem Laufenden.

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