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Digital Finance Package der EU-Kommission: Krisenbewältigung durch Digitalisierungsoffensive

von Johanna Fischer, Christoph Harringer | 21.10.2020

Photo by Guillaume Périgois on Unsplash

Die Europäische Kommission hat jüngst das Digital Finance Package, bestehend aus Strategien zur Digitalisierung des Finanzmarktes und Gesetzesvorschlägen zu Crypto Assets und IT-Systemen, vorgestellt. Damit will die EU eine Vorreiterrolle im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Finanzmärkte übernehmen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes stärken. Nachstehend werden die vorgestellten Instrumente und deren Hintergründe kurz beleuchtet.

Mit Beginn der COVID-19-Krise ist die Verwendung von Finanzapps in Europa binnen einer Woche um 72 % angestiegen. Mit der zunehmenden Popularität solcher Apps gehen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken einher. So hat während der Pandemie die Anzahl von Cyberattacken auf Finanzinstitute um 38 % zugenommen und es häuften sich Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit digitalen Finanzlösungen.

Diese Entwicklungen und das Erfordernis eines Wiederaufbaus der angeschlagenen Wirtschaft bewegten die EU zum Start einer neuen Digital-Offensive. Das von der EU-Kommission am 24.09.2020 präsentierte Digital Finance Package soll nicht bloß dazu dienen, die Wirtschaft anzukurbeln, sondern insbesondere auch dazu, den EU-Finanzsektor zu stärken, sodass dieser einerseits Start-Ups und KMUs neuartige Möglichkeiten zur Finanzierung am Kapitalmarkt bietet und andererseits Konsumenten Zugang zu innovativen Finanzprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung des Verbraucherschutzes und der finanziellen Stabilität des Euroraumes erlaubt.

Das Digital Finance Package der EU-Kommission fußt auf vier Instrumenten: Neben der Entwicklung und Implementierung (i) einer Digital Finance Strategie und (ii) einer Retail Payments Strategie, ist auch (iii) eine Gesetzesinitiative betreffend Crypto-Assets (bestehend aus einer Marktregulierung und einer Pilotregelung eines Handelssystems) und (iv) eine Gesetzesinitiative zur Betriebsstabilität digitaler Systeme geplant. Ziel ist eine Vereinheitlichung des digitalen Binnenmarktes mit dem Zweck, die finanzielle Mobilität der Marktteilnehmer zu erhöhen und digitale Innovationen (wie beispielsweise einen verstärkten Handel mit Crypto-Assets) zu fördern. Getragen wird diese Offensive vom Gedanken eines fairen Wettbewerbs am (digitalen) Finanzmarkt nach dem Grundsatz: „same acitivity, same risk, same rules“.

1. Einfacherer Zugang zum digitalen Binnenmarkt sowie bessere (digitale) Finanzprodukte für den Verbraucher

Hervorzuhebende Initiativen sind etwa die verstärkte Fokussierung auf eine „one-stop-shop“ Lizenzierung, die es Anbietern von Crypto-Assets ermöglichen soll, durch Erwerb einer einzigen Handelslizenz bei einer nationalen Aufsichtsbehörde sowie eines sog. „EU-Passports“, am gesamten Binnenmarkt tätig zu werden.

Daneben ist die Einführung des European Financial Data Space geplant. Dazu sollen unter anderem sämtliche, öffentlich zugängliche Informationen über Finanzprodukte in standardisierter Form kanalisiert werden. Der European Financial Data Space soll einerseits den Markt mit neuen – gegebenenfalls auch datengesteuerten – Finanzprodukten versorgen, andererseits aber auch zum Datenaustausch zwischen Regulierungsbehörden beitragen bzw. die Marktaufsicht (beispielsweise durch den Einsatz innovativer Technologien) effizienter gestalten. Neben öffentlich zugänglichen Informationen soll, im Sinne einer stärkeren Personalisierung von Dienstleistungen, auch ein breiterer Zugang zu Kundendaten geschaffen werden, weshalb es eine besondere Herausforderung sein wird, dabei die Einhaltung der hohen Standards des Datenschutzrechts sowie den Schutz der Privatsphäre sicherzustellen, so dass jeder Konsument stets die Kontrolle über seine Daten behält.

2. Fokussierung auf moderne Zahlungssysteme

Der zunehmenden Bedeutung von „Online-Zahlungssystemen“ soll durch die Retail-Payments-Offensive Rechnung getragen werden, wobei sich die EU-Kommission insbesondere auf die Weiterentwicklung von Instant-Payment-Systemen (diese ermöglichen eine Abwicklung von Zahlungen in Echtzeit unabhängig von (Bank-)Öffnungszeiten) und die Unterstützung der – von sechzehn führenden Großbanken ins Leben gerufenen – European Payments Initiative mit dem Ziel der Schaffung und Weiterentwicklung von grenzüberschreitenden Zahlungslösungen, konzentriert.

Konkrete Gesetzesvorschläge zur Retail-Payments-Strategie liegen bislang nicht vor. Aus Sicht der Kommission bietet diesbezüglich die zweite Zahlungsdiensterichtlinie  – in Österreich im Rahmen des ZaDiG 2018 umgesetzt – ausreichend Spielraum, wie etwa einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr im Euro-Raum – und somit die Basis für SEPA. Im Zuge einer Evaluierung der Zahlungsdiensterichtlinie im vierten Quartal 2021 sollen Verbesserungspotenziale identifiziert und in weiterer Folge umgesetzt werden.

3. Auffangregelung für Crypto-Assets und eine Pilotregelung für Handelssysteme

Mit dem Verordnungsentwurf betreffend Crypto-Assets sollen künftig sämtliche Crypto-Assets, dies sind digitale Werte oder Rechte, die unter Einsatz bestimmter Technologien (meist mit sog. Distributed-Ledger-Technologien, etwa der „Blockchain“) übertragen werden können, reglementiert werden.

Da bislang innerstaatlich keine spezielle Regulierung von Crypto-Assets existiert, ist diese Initiative erfreulich. Vereinzelt unterliegen Crypto-Assets jedoch bereits nach geltender Rechtslage besonderen Regelungen (beispielsweise können Crypto-Assets bei entsprechender Ausgestaltung als Wertpapiere qualifiziert werden und fallen somit in den Anwendungsbereich des WAG 2018, mit allen damit verbundenen Konsequenzen wie besondere Aufklärungspflichten im Handel udgl.) und sollen auch weiterhin diesen Regelungen unterliegen. Die gängigen Bitcoins beispielsweise fallen derzeit allerdings nicht unter eine Reglementierung. Mit der Neuregelung wäre aber sehr wohl auch für diese – und weitere, bislang nicht reglementierte Crypto-Assets – eine Reglementierung geschaffen.  

Neu wäre zudem, dass gemäß vorgelegtem Entwurf jeder Anbieter von Crypto-Assets künftig über eine Betriebsstätte innerhalb der EU verfügen und eine Konzession einer Aufsichtsbehörde zumindest eines Mitgliedsstaates vorweisen muss. Im Sinne des oben erwähnten „one-stop-shop“-Prinzips könnte allerdings durch Erwerb eines sog. „EU-Passports“ die Tätigkeit auf dem gesamten Binnenmarkt erbracht werden. Dies würde eine wesentliche Vereinfachung des grenzüberschreitenden Handels mit Crypto-Assets darstellen, denn zur Erlangung eines EU-Passports ist lediglich eine Mitteilung an die nationale Aufsichtsbehörde mit weiterführenden Informationen (bestehend aus einer Liste der Mitgliedsstaaten, in deren Gebiet die Crypto-Assets angeboten werden sollen, sowie aus Angaben zum Beginn der Tätigkeit und zu sämtlichen angebotenen Services in den weiteren Mitgliedstaaten) notwendig. Die Aufsichtsbehörden jener Mitgliedsstaaten, in deren Gebiet der Anbieter seine Tätigkeit entfalten möchte, sowie auch die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) und die EBA (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) sind von der lizensierenden Aufsichtsbehörde binnen zehn Tagen ab Einlagen der Mitteilung bei der nationalen Aufsichtsbehörde zu informieren. Sobald der Anbieter von Crypto-Assets von der Information an die Aufsichtsbehörden der (weiteren) Mitgliedsstaaten, die ESMA und die EBA informiert wurde, spätestens allerdings nach fünfzehn Tagen ab Übermittlung der Mitteilung an die nationale Aufsichtsbehörde, ist er berechtigt, Crypto-Assets auch in den genannten Mitgliedsstaaten anzubieten.

Zugleich beinhaltet der Verordnungsentwurf auch konsumentenschutzrechtliche Bestimmungen, die den Handel mit Crypto-Assets regulieren sollen. Zum einen sollen strenge Mindestanforderungen gelten (beispielsweise Eigenkapitalanforderungen, zwischen EUR 50.000,00 und EUR 150.000,00 abhängig vom Typ des Crypto-Assets), zum anderen diverse sonstige Schutzvorkehrungen zu treffen sein, um Nachteile für Verbraucher zu vermeiden (beispielsweise sind Kundengelder von eigenen Geldern zu trennen oder strikt vorgegebene Beschwerdebehandlungsverfahren einzuhalten). Bevor ein Crypto-Asset angeboten wird, soll zudem ein sog. „White Paper“ mit sämtlichen relevanten Informationen (z.B. Informationen über den Anbieter, das angebotene Crypto-Asset, die verwendete Technologie usw.) darüber veröffentlicht werden.  

Da die meisten Crypto-Assets über Distributed-Ledger-Systeme gehandelt werden, betrifft der zweite Gesetzesentwurf ebendiese und versorgt Marktteilnehmer mit einer Pilotregelung. Ein Distributed-Ledger-System liegt im Allgemeinen vor, wenn die zu speichernden Daten (Werte) nicht zentral auf einem Server, sondern dezentral („distributed“) bei den einzelnen Teilnehmern gespeichert werden. Die Pilotregelung soll es Marktteilnehmern als auch nationalen Aufsichtsbehörden ermöglichen, Erfahrungen im Umgang mit DTLs zu sammeln. Diese beiden Gesetzesvorhaben sollen sobald als möglich verabschiedet werden, wobei die Verordnung betreffend Crypto-Assets erst achtzehn Monate später in Kraft treten soll, um den Mitgliedsstaaten die Erlassung notwendiger Begleitmaßnahmen (beispielsweise Durchführungsstandards) zu ermöglichen.

4. Vereinheitlichte Mindeststandards für digitale Systeme

Schließlich geht mit der digitalen Transformation auch die zunehmende Einbeziehung von Technologieunternehmen in den Finanzmarkt einher, weshalb mit dem Verordnungsentwurf betreffend Betriebsstabilität digitaler Systeme (Digital Operational Resilience Act (DORA)) ein eigener (Mindest-)Standard für den Betrieb von digitalen Systemen durch Finanzmarktteilnehmer geschaffen wird. Dadurch soll die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen und eine verbesserte Aufsicht bei ausgelagerten Dienstleistungen sichergestellt werden, um Cyberangriffen besser standzuhalten bzw. diese wirksam bekämpfen zu können.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Auf den ersten Blick scheint die Digitaloffensive der EU stark von konsumentenschutzrechtlichen Erwägungen getragen zu sein. Mit dem Gesetzesvorhaben betreffend Crypto-Assets soll eine längst notwendige Regulierung für Crytpo-Assets geschaffen werden, die Konsumenten durch vorvertragliche Informationspflichten und eine verbesserte Aufsicht vor Missbrauch schützen soll.

Aber auch für Start-Ups und KMUs bietet die Digitaloffensive Chancen. Neben neuen Finanzierungsformen am Kapitalmarkt und weiteren Geschäftsmodellen für innovative Finanzprodukte kann die Retail Payments Strategie zu einer Vereinfachung des Zahlungsverkehrs und somit zu einer Senkung der Transaktionskosten für sämtliche Marktteilnehmer führen.

Die Rechtsvorschriften und etwaige nationale Begleitmaßnahmen sind allerdings noch nicht verabschiedet. Stakeholder können sich daher noch in die laufenden Prozesse einbringen.

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