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Firmengründung 4.0 – GmbH-Gründung vom Sofa aus

von Kaleb Kitzmüller | 06.08.2019

In Zukunft soll die Gründung, Verwaltung und Abwicklung von Gesellschaften in der EU fast ausschließlich vom Sofa aus funktionieren. Gehören Behörden- und Notarbesuche bald der Vergangenheit an? Die Änderung der kodifizierten EU-Gesellschaftsrechtsrichtlinie soll das ermöglichen.

(C) Austin Distel, unsplash

Die EU durchlebt momentan spannende Zeiten. Unternehmen blicken gespannt auf die Konstituierung der EU-Organe und versuchen zu erahnen, welche (wirtschafts-)politischen Akzente die nächste EU-Kommission setzen wird. Gerade zu diesem Zeitpunkt lohnt sich aber ein Blick in das nicht minder spannende Amtsblatt der Europäischen Union. Anfang Juli wurde ebendort eine Richtlinie kundgemacht, welche die Gründung, Verwaltung und Abwicklung von Gesellschaften (und Zweigniederlassungen) ins digitale Zeitalter befördern soll. Der österreichische Gesetzgeber muss die notwendigen Änderungen der nationalen Rechtsvorschriften bis spätestens August 2021 umsetzen. Ziel der Richtlinie ist die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten hinsichtlich des „Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“ und die Weiterentwicklung des Prinzips des „Online-Lifecycle“.

Möglichst ohne Behördenwege sollen künftig in der gesamten EU Gesellschaften und Zweigniederlassungen quasi via Smartphone gegründet werden können. Ebenso soll die Übermittlung von Urkunden/Informationen und die kostenlose Einsicht in Informationen über Gesellschaften online möglich sein. Auch zur Vernetzung zwischen den Registerbehörden und der Bereitstellung von Mustern für die Gesellschaftsgründung wurden Regelungen getroffen.

Erleichterungen für die Gründung von Zweigniederlassungen

Einen Schwerpunkt der Richtlinie stellt die Online-Gründung von Gesellschaften und Zweigniederlassungen dar. Das heißt, dass die zukünftigen Gesellschafter möglichst nicht persönlich vor Behörden, Gerichten oder sonstigen Personen erscheinen müssen, welche die Bearbeitung der Gründung und der Erstellung des Errichtungsaktes durchführen. Betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung besteht eine Verpflichtung zur Einführung eines Online-Verfahrens. Bei anderen Gesellschaftsformen ist es den Mitgliedsstaaten freigestellt, ob auch hierfür eine Online-Gründung/Verwaltung eingeführt wird.

Während in Österreich Gründungswillige gewöhnlich nicht persönlich vor den Firmenbuchgerichten erscheinen müssen, war ein Termin in einem Notariat in der bis vor kurzem nahezu unausweichlich. In jüngster Vergangenheit wurde dieses Prozedere jedoch ausgehebelt. So kann der für die Gründung einer GmbH notwendige Notartermin seit Anfang 2019 auch durch elektronisch unterstützte Mittel durchgeführt werden (etwa mittels Videokonferenz oder durch die Vorlage eines elektronischen Ausweises). Seit Anfang 2018 ist es zudem möglich, die Gründung einer Einpersonen-GmbH in Zusammenwirken mit einem Kreditinstitut gänzlich ohne Beglaubigung durchzuführen. Neben der Feststellung der Identität der GesellschafterInnen und GeschäftsführerInnen übernehmen NotarInnen (oft in Zusammenarbeit mit den RechtsanwältInnen der GesellschafterInnen) die Erstellung der notwendigen Unterlagen. Die Mitgliedsstaaten sind nicht verpflichtet, dieses System vollkommen umzuwerfen, Anpassungen müssen aber vorgenommen werden. So soll die Feststellung der Identität und der Rechts- und Geschäftsfähigkeit von Unionsbürgern im Gründungsverfahren künftig auch elektronisch (via Videokonferenz oder sonstige Online-Verfahren) möglich sein. Die physische Anwesenheit im Notariat ist dann nur noch in Einzelfällen Pflicht. Auch in der weiteren „Lebenszeit“ der Gesellschaft soll die Einreichung von Urkunden und Informationen online erfolgen können.

Nach Eingang aller Unterlagen beim Firmenbuchgericht soll die Online-Gründung binnen 5 (wenn nur natürliche Personen Gesellschafter sind) bzw. 10 Tagen erfolgen.

Bereitstellung von Muster und Informationen

Die Gründung von Gesellschaften (va durch Start-Ups und KMUs) soll auch durch die Zurverfügungstellung von Mustern von „Errichtungsakten“ vereinfacht werden. Die österreichische Justiz hat bereits bisher Formulare für einzelne Firmenbucheingaben über das Portal für „Formulare / Online-Eingaben“ frei zugänglich gemacht, dies muss nun erweitert werden.

Einzelne Informationen über Gesellschaften selbst (etwa die Identität der handelnden Personen und der Status der Gesellschaft) sollen künftig frei und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für die Auskunft über diese Informationen werden künftig demnach keine Gebühren mehr anfallen.

Informationsaustausch zwischen Mitgliedsstaaten

Eine Erleichterung der Verwaltung von Gesellschaften soll der „Grundsatz der einmaligen Erfassung“ bringen. Die nationalen Firmenregister sollen eng miteinander verknüpft werden und dadurch ein (automatischer) Austausch von Informationen möglich sein. Als Ergebnis sollen beispielsweise Informationen/Urkunden, die bereits an das Register des „Staat A“ übermittelt wurden, bei der Gründung einer weiteren Gesellschaft/Zweigniederlassung im „Staat B“ nicht dem Register dieses Staates vorgelegt werden müssen, sondern direkt zwischen den Registern ausgetauscht werden.

Die Registervernetzung soll auch dazu dienen, dass Informationen zur Disqualifizierung von potentiellen GeschäftsführerInnen zukünftig direkt zwischen den Registern ausgetauscht werden können. Setzt ein Geschäftsführer demnach Handlungen in „Staat A“, die ihn von der weiteren Tätigkeit als Geschäftsführer ausschließen, sollen diese Informationen an „Staat B“ übermittelt werden, wenn dieselbe Person in einer dort ansässigen Gesellschaft tätig werden soll. Betrügerisches Verhalten oder anderweitiger Missbrauch sollen dadurch eingeschränkt werden.

Die Online-Verfahren sollen – soweit möglich – zusätzlich zu den bereits bestehenden analogen Verfahren hinzutreten, diese ergänzen und als Alternative zur Verfügung stehen. Die Mitgliedsstaaten können aber auch vorsehen, dass Online-Verfahren verbindlich genutzt werden müssen.

Missbrauchsgefahr und Risiken

Während die Richtlinie unbestritten die Gründung und Verwaltung von Gesellschaften vereinfacht und Flexibilität schafft, gehen damit auch Risiken einher. Bei der Registervernetzung bestehen datenschutzrechtliche Problemfelder und die Vereinfachung des Zugangs zur Datenübertagung schafft Möglichkeiten zum Missbrauch dieser Anwendungen. Es wird an den Mitgliedsstaaten liegen, hier durch Maßnahmen entsprechend gegenzusteuern.

Es ist außerdem zu befürchten, dass vor allem KMUs in Zukunft vermehrt auf qualifizierte Beratung verzichten und Gesellschaftsgründungen eigenständig durchführen. Aber auch bei der Verwendung von gut durchdachter Muster ist stets Vorsicht geboten, müssen diese doch meist auf besondere Bedürfnisse der GesellschafterInnen angepasst werden. Wird im Vorfeld bei der Beratung gespart, müssen diese Kosten deshalb oftmals später bei Unstimmigkeiten zwischen den GesellschafterInnen in Rechtsstreitigkeiten aufgewendet werden.

Für die Firmenbuchgerichte ist eine Mehrbelastung zu erwarten, werden die eigenständig ausgefüllten Muster doch oft nicht den gesetzlich strengen Anforderungen entsprechen. In der Folge werden vermehrt Verbesserungsaufträge erteilt werden müssen.

Österreich als digitaler Vorreiter

Im Zusammenhang mit dem Einsatz von digitalen Werkzeugen und Verfahren stellt sich unweigerlich auch die Frage nach der technischen Umsetzbarkeit. Wie bereits erwähnt, kann in Österreich bereits seit 01.01.2018 die Gründung einer Einpersonen-GmbH in Form der sogenannten eGründung über das Unternehmensserviceportal (USP) durchgeführt werden. Auch in anderen Bereichen wurden schon umfangreiche Erfahrungen mit elektronischen Diensten gesammelt. Mit der Einführung der verpflichtenden Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) zwischen Gerichten und Anwälten wurde etwa ebenso eine EU-weite Vorreiterrolle übernommen, wie auch mit der Zurverfügungstellung von Rechtsvorschriften und Gerichtsentscheidungen im Rechtsinformationssystem (RIS) oder dem E-Government-Portal der Finanzverwaltung (FinanzOnline). Der elektronische Gerichtsakt wurde zwar noch nicht flächendeckend umgesetzt, aber auch hier konnte die Justiz in Probeversuchen bereits weitere IT-Kompetenz sammeln. Mit Blick auf diese Erfahrungen ist davon auszugehen, dass auf die österreichischen IT-Leitbediener keine unlösbaren Aufgaben zukommen. Notwendig wird eine Plattform sein, die zeitgleich die Einspeisung von Daten durch GesellschafterInnen, RechtsanwältInnen und NotarInnen ermöglicht. Möglich wäre etwa der Ausbau des USP für weitere Gesellschaftsformen.

Ausblick

Soll die EU als Wirtschaftsstandpunkt wettbewerbsfähig bleiben, müssen formelle Abläufe und Verfahren vereinfacht, flexibel und transparent gemacht werden. Die Digitalisierung von gerichtlichen/behördlichen Verfahren ist eine Notwendigkeit und vor allem für die Förderung von Start-Ups wichtig. Österreich hat bereits zahlreiche Erfahrungen mit elektronischen Verfahren und ist damit grundsätzlich auch für die nun ins nationale Recht umzusetzende Richtlinie gewappnet. Auf die genaue Ausgestaltung dürfen wir gespannt sein.

Nähere Informationen hat unser Team Unternehmens- und Gesellschaftsrecht.

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