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Quick-Freeze Modell – Vorratsdatenspeicherung light?

von Bernd Wiesinger | 24.08.2018

Im Juni 2018 trat mit der Anlassdatenspeicherung eine neue Ermittlungsmaßnahme in Geltung, die gewisse Erinnerungen an das als unionsrechts- und verfassungswidrig aufgehobene Modell der Vorratsdatenspeicherung weckt. Wie funktioniert die Anlassdatenspeicherung und welche Gefahren könnte sie mit sich bringen?

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Im Jahr 2017 wurde das Vorhaben der damaligen Regierung, mit dem sogenannten „Bundestrojaner“ den Strafverfolgungsorganen eine Ermittlungsmaßnahme zur Hand zu geben, um durch Installation spezieller Software auf Geräten verdächtiger Personen deren verschlüsselte Kommunikation unverschlüsselt auslesen zu können, medial heftig diskutiert. Der Gesetzesentwurf wurde nun im Mai 2018 mit einigen (wenigen) Änderungen tatsächlich vom Nationalrat beschlossen und wird ab 2020 in Geltung stehen.

Anlassdatenspeicherung kommt im trojanischen Pferd

Im medialen Diskurs wurde dabei kaum beachtet, dass gleichzeitig mit dem „Bundestrojaner“ noch weitere Ermittlungsmethoden eingeführt wurden. So insbesondere die im 2017 diskutierten Gesetzesentwurf noch gar nicht vorgesehene Anlassdatenspeicherung – in Fachkreisen als „Quick-Freeze-Modell“ bezeichnet -, die bereits am 01.06.2018 in Kraft trat.

Das Modell der Anlassdatenspeicherung regelt, anders als man aufgrund des Wortlauts vermuten könnte, lediglich das Absehen von der Löschung bestimmter bereits gespeicherter Daten. Telekommunikationsunternehmen sind schon nach bisheriger Rechtslage grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, Verkehrsdaten zu speichern, wenn dies für die Verrechnung ihrer Leistungen erforderlich ist. Solcherart werden ua die aktive und passive Teilnehmernummer, Verbindungsdauer, Datenvolumen etc. gespeichert. Diese Daten sind idR zu löschen, sobald der Bezahlvorgang durchgeführt wurde und innerhalb einer Frist von drei Monaten die Rechnung nicht beeinsprucht wurde.

Auf dieser Regelung baut das Modell der Anlassdatenspeicherung auf. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, dh, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist, kann die Staatsanwaltschaft den Telekommunikationsunternehmen die Anordnung erteilen, oben genannte Verkehrsdaten nicht zu löschen. Da auf diese Weise die bereits vorhandenen Verkehrsdaten quasi eingefroren werden, spricht man auch vom sogenannten „Quick-Freeze-Modell“. Soweit dies zur Aufklärung bestimmter Straftaten, idR Straftaten, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, erforderlich erscheint, hat das Telekommunikationsunternehmen diese Daten dann bis zu zwölf Monate zu speichern. Wenn sich der Anfangsverdacht innerhalb dieser Zeit erhärtet, kann die Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung anordnen, dass diese Verkehrsdaten vom Telekommunikationsunternehmen an sie übermittelt werden und diese auslesen. Ansonsten sind die Verkehrsdaten sobald die Maßnahme nicht mehr erforderlich ist, insbesondere, weil der Verdacht entkräftet wurde, spätestens aber nach Ablauf der zwölf Monate, vom Telekommunikationsunternehmen zu löschen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Verdächtige idR erstmals über die vorgenommene Anlassdatenspeicherung zu informieren.

Anlassdatenspeicherung – auf Vorrat?

Auffällig sind gewisse Parallelen zwischen der Anlassdatenspeicherung und der 2014 als unions- und verfassungwidrig aufgehobenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Die Verwendung des Wortes „Anlass“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch das Quick-Freeze-Modell der Staatsanwaltschaft für ihre Ermittlungen ein gewisser Vorrat an Daten verschafft werden soll. Der in der Vergangenheit von Kritikern der Vorratsdatenspeicherung erhobene Hauptvorwurf, dass die Vorratsdatenspeicherung alle Bürger unter einen Generalverdacht stellte und ohne jeglichen Anlass die Speicherung ihrer Daten erlauben würde, kann der Anlassdatenspeicherung jedoch nicht gemacht werden. Die neue Regelung könnte somit als „Vorratsdatenspeicherung light“ bezeichnet werden, der die verfassungsrechtlich bedenklichsten Spitzen der damaligen Regelung genommen wurden.

Ausblick und Kritik

Offen bleibt, wie das Modell der Anlassdatenspeicherung in der Praxis gehandhabt werden wird. Aufgrund der Tatsachen, dass die Anlassdatenspeicherung bereits bei Vorliegen eines Anfangsverdachts – dies ist die niedrigste Schwelle zur Einleitung eines Strafverfahrens – zulässig ist, aufgrund dieses Anfangsverdachts bereits in einem sehr frühen Verfahrensstadium zu entscheiden ist, ob die Speicherung der Daten erforderlich sein wird, die Anlassdatenspeicherung nicht auf schwere Straftaten beschränkt ist, und weil keine Einbindung des Rechtsschutzbeauftragten vorgesehen ist, besteht die Gefahr, dass eine Anlassdatenspeicherung vorschnell zur Aufklärung sämtlicher Straftaten, die im Hauptverfahren der Zuständigkeit des Landesgerichts unterliegen, angeordnet werden wird.

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