Zum Hauptmenü Zum Inhalt

Strafrechtliche Fragen des autonomen Fahrens

von Teresa Simone Braunschmid | 16.10.2017

Selbstfahrende Autos gibt es schon. Gesetze, die die strafrechtliche Verantwortung ihrer Lenker regeln, noch nicht. Zeit, sich Gedanken über die Frage zu machen, wer bei einem Unfall mit Personenschaden haftet, wenn nicht ein Mensch das Fahrzeug lenkt.

Straßen von Hong Kong
©https://pixabay.com/

Was sich vor wenigen Jahren noch wie Science Fiction anhörte, ist (bald) Realität. In Deutschland dürfen autonome KFZ mit menschlichem Backup bereits auf einer Teststrecke fahren. Im französischen La Rochelle kreuzen autonom fahrende Busse mit geringer Geschwindigkeit durch den alten Hafen. Und in den USA fahren schon seit Längerem autonome KFZ tausende Meilen quer durch das Land.

Rechtliche Rahmenbedingungen des autonomen Fahrens

Unser Rechtssystem wird von technologischen Entwicklungen regelmäßig überholt. Kaum sind Innovationen in den Normenkörper integriert, stehen bereits die nächsten Gesetzesänderungen auf Grund neuer Technologien an. Der Rechtsrahmen für KFZ ist auf konventionelle KFZ ausgelegt. Gemäß Art 8 Abs 1 und 5 der Wiener Straßenverkehrskonvention – innerstaatlich im KFG und der StVO (insbesondere § 102 KFG und § 20 StVO) umgesetzt – muss jedes KFZ, wenn es sich bewegt, von einem Lenker ununterbrochen beherrscht werden. Mit der Novellierung des Kraftfahrgesetzes (KFG) im Jahr 2016 (BGBl. I Nr. 67/2016) hat der Gesetzgeber teilautonomes Fahren erlaubt. Demnach darf der Lenker bestimmte Fahraufgaben (näher geregelt in der AutomatFahrV) im Fahrzeug vorhandenen automatisierten Fahrsystemen übertragen. Der Lenker bleibt aber stets verantwortlich, seine Fahraufgaben wieder zu übernehmen (vgl § 102 Abs 3a und 3b KFG). Diese Neuregelung modifiziert zwar die Schutznormen und erweitert den Kreis der objektiv sorgfaltsgemäßen Verhaltensweisen, ist aus strafrechtlicher Sicht jedoch keine Neuerung, zumal sie den Lenker nach wie vor durchgängig in die strafrechtliche Verantwortlichkeit nimmt.

Zieht ein Unfall im Straßenverkehr Körperverletzungs- oder sogar Todesfolgen nach sich, kann eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Lenkers gegeben sein, wenn dieser fahrlässig (unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt) oder gar vorsätzlich gehandelt hat. Bei der Zulassung autonomer KFZ im Straßenverkehr gibt es aber keinen Lenker mehr. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Nutzers des autonomen KFZ ist damit aber nicht per se ausgeschlossen. Immerhin ist die Verwendung des autonomen KFZ mitkausal für einen allfälligen Schaden. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit desjenigen, der das autonome KFZ nutzt ist vor allem dann denkbar, wenn schon vor Verwendung des autonomen KFZ Schäden oder Störungen des KFZ-Systems erkennbar sind. In diesem Fall wäre es objektiv sorgfaltswidrig, vorbehaltslos auf die Funktionsfähigkeit des KFZ zu vertrauen und dieses zu nutzen. Fraglich ist, ob sich bei Zulassung autonomer KFZ im Straßenverkehr – in Ermangelung eines Lenkers – der potentielle Täterkreis strafbaren Verhaltens im Straßenverkehr erweitert. In Frage kämen zB der Halter, der Hersteller oder der Entwickler der Software des autonomen KFZ. Das österreichische Strafrecht ist jedoch als Schuldstrafrecht ausgestaltet. Es herrscht der Grundsatz: Keine Strafe ohne Schuld. Je komplexer ein System ist, umso schwerer lässt sich im Schadensfall feststellen, (i) wo der Fehler zu lokalisieren ist und (ii) wer diesen Fehler schuldhaft verursacht hat. Im Zivilrecht behilft man sich bei derartigen Sachverhalten mit einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung. Zur Begründung einer Strafbarkeit ist der individuelle persönliche Schuldvorwurf aber grds unabdingbar.

„Im Strafrecht herrscht der Grundsatz: Keine Strafe ohne Schuld. Im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren wird hingegen die Implementierung einer Systemverantwortlichkeit diskutiert.“

Ausweg über Systemstrafbarkeit?

Das österreichische Strafrecht kennt bisher lediglich eine Ausnahme vom Schuldstrafrecht – das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG). Nach dem VbVG können sogenannte Verbände (Gesellschaften, Vereine, Privatstiftungen udgl) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren wird die Implementierung einer Systemverantwortlichkeit, angelehnt an das Konzept der Verbandsverantwortlichkeit, diskutiert. Im Gegensatz zu dem Verband besitzt das System des autonomen KFZ aber keine Rechtsfähigkeit. Auch wenn dem System vom Gesetzgeber eine Rechtsfähigkeit verliehen würde, stellt sich immer noch die Frage, ob eine „Systemstrafbarkeit“ dem strafrechtlichen Präventionsgedanken gerecht wird. Dem Präventionszweck ist bei der „Strafbarkeit“ des Verbandes insofern genüge getan, als hinter dem Verband natürliche Personen (zB Anteilseigner) stehen, die präventiv einwirken können. Diese Konstellation ist bei einem System nicht gegeben. Hinzu kommt, dass das VbVG die Strafbarkeit einer dem Verband hinreichend zurechenbaren natürlichen Person verlangt. Auch eine solche wird bei einem komplexen autonomen System aber fehlen. Eine Systemstrafbarkeit ist auf Grund der derzeit geltenden strafrechtlichen Grundsätze daher nicht denkbar.

Vor der Zulassung autonomer KFZ im Straßenverkehr ist es sohin am Gesetzgeber gelegen, systemneue Regelungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu implementieren.

Haben Sie Fragen zum Thema?

    Zum Absenden des Formulars muss Google reCAPTCHA geladen werden.
    Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

    Google reCAPTCHA laden