Alexander Hiersche
Partner bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Kartell- und Beihilfenrecht; er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen.
Das Facebook-Kartellverfahren – Es geht um die Wahlfreiheit, Dummkopf!
Eine ungeahnte Wendung nahm das Facebook-Kartellverfahren, als das OLG Düsseldorf vor einem Jahr die Untersagungsanordnung des deutschen Bundeskartellamts mit teils deftigen Worten aufhob. Doch nun gab der Bundesgerichtshof dem Bundeskartellamt Recht – allerdings bloß im Ergebnis. Denn zu den Verhaltensanforderungen an marktmächtige Plattformen vertritt das deutsche Höchstgericht seine eigene Theorie…
Nicht die Europäische Kommission, sondern das deutsche Bundeskartellamt nahm sich das soziale Netzwerk schlechthin vor – wegen eines angeblichen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung. Obwohl rechtlich geboten, wandte es dabei anstelle der unionsrechtlichen Bestimmungen über den Marktmachtmissbrauch (Art 102 AEUV) bloß nationales Wettbewerbsrecht (§ 19 GWB) an – jedoch in Verbindung mit der DSGVO.
Denn dem Bundeskartellamt zufolge missbraucht Facebook seine marktbeherrschende Stellung am Markt für soziale Netzwerke dadurch, dass es Daten über seine Nutzer im Übermaß sammelt, ohne dass diese sich dagegen wehren und die Nutzung untersagen oder zumindest einschränken könnten. In seiner Pressemeldung zur Entscheidung führte das Bundeskartellamt aus, dass kaum einem Nutzer bewusst sei, dass Facebook Daten nicht nur durch die Verwendung des eigentlichen Netzwerks sammelt und aggregiert, sondern auch über andere Konzerndienste wie Instagram oder WhatsApp und sogar über Websites Dritter. Die Sammlung der Daten von Drittwebsites, ihre Zusammenführung mit Daten aus sonstigen Quellen sowie die Zuordnung von Nutzerkonten erfolge – gemessen am Maßstab der DSGVO – rechtswidrig.
Dies begründe, so das Bundeskartellamt, ein missbräuchliches Verhalten. Denn nach den nationalen wie auch europäischen Vorschriften ist es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten Abnehmer auszubeuten, etwa durch überhöhte Preise oder sonstige unangemessene Konditionen. Solcherart unangemessene Konditionen erblickte das Bundeskartellamt in der gewissermaßen erzwungenen Zustimmung zur seiner Ansicht nach überbordenden Datennutzung.
Konsequenterweise untersagte es in einer mehr als 300 Seiten starken Entscheidung die Sammlung und Zusammenführung der Daten aus verschiedenen Quellen sowie deren Zuordnung zu den Nutzerkonten ohne echte Einwilligung der Nutzer.
Die DSGVO als Maßstab für das Kartellrecht?
Die Resonanzen zur Entscheidung des Bundeskartellamts waren geteilt. Bei einigen fand sie Zustimmung, nicht wenige warfen den Wettbewerbshütern aber vor, sich zu einer Datenschutzbehörde aufzuschwingen. Und hatte die Europäische Kommission nicht schon deutlich klar gemacht, dass der Schutz persönlicher Daten keine Aufgabe des Wettbewerbsrechts sei (siehe die Facebook/WhatsApp-Freigabeentscheidung der Europäischen Kommission bei Rz 164)? Das Bundeskartellamt rechtfertigte seine Intervention jedoch damit, dass Daten ein sehr wichtiger Input seien, gerade in der digitalen Ökonomie (wozu rund um die Ermittlungen im Fall auch gleich eine theoretische, aber aufschlussreiche Abhandlung verfasst wurde), weshalb die exzessive Datensammlung auch ein genuin wettbewerbsrechtliches Thema und damit ein Fall für die Wettbewerbsbehörden sei.
Das OLG Düsseldorf findet den „Dislike“-Button
Ganz anders sah die Sache das OLG Düsseldorf, das in einem Eilverfahren angerufen wurde. Um scharfe Töne nicht verlegen bezeichnete es die Begründung des Bundeskartellamts an einer Stelle gar als „in der Sache substanzlos und nichtssagend“. So könne aus einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht – selbst wenn er vorläge – nicht mehr abgeleitet werden als eben das. Für einen Wettbewerbsverstoß bedürfe es eines wettbewerbsschädlichen Verhaltens – ein schlichter Gesetzesverstoß erzeugt noch keinen Schaden für den Wettbewerb.
Was nun?
Zwar liegt der Ball nun wieder beim OLG Düsseldorf (im Hauptsacheverfahren). Der Bundesgerichtshof ließ aber schon wissen, dass für ihn weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook noch an deren Missbrauch durch Facebook bestehen würden. In die Fußballersprache übersetzt könnte man daher meinen: Hoch gewinnen wird Facebook die Sache nicht mehr. Allerdings ist die Angelegenheit für keine der Parteien bereits ausgestanden, möglich ist sogar eine Verlängerung: Schließlich könnte auch der EuGH noch im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach seiner Meinung gefragt werden.
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