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Arbeit oder Freizeit – zur Dauererreichbarkeit von Mitarbeitern

von Kerstin Weber, Eda Ertugrul | 23.09.2017

Die Dauererreichbarkeit von Mitarbeitern ist ein Phänomen moderner Arbeitsverhältnisse. Ihre rechtliche Einordnung ist jedoch noch nicht geklärt. Arbeitgeber sollten mit einer Regelung der Rechte und Pflichten nicht auf den Gesetzgeber warten. Sonst könnte ein böses Erwachen drohen.

Telefonierender Mann in Smartphone eingesperrt
© Karl-Heinz Wasserbacher

Arbeitnehmer werden zunehmend mobiler und flexibler. Eine aktuelle Mercer-Studie ergab jüngst, dass 99 % der Führungskräfte in Deutschland außerhalb der Arbeitszeit beruflich erreichbar sind. Ein Trend, der in vielen Betrieben zusehends auch Mitarbeiter ohne Managementfunktion erreicht. Da auf Diensthandys – regelmäßig Smartphones – E-Mails und Telefonate unabhängig von Zeit und Ort bearbeitet und beantwortet werden können, findet über kurz oder lang keine – wie ursprünglich vom Gesetzgeber vorgesehen – Trennung zwischen Beruf und Freizeit mehr statt.

Noch keine rechtliche Einordnung der Dauererreichbarkeit

Während Frankreich auf das Phänomen der Dauererreichbarkeit von Arbeitnehmern bereits reagiert und Anfang des Jahres ein Gesetz eingeführt hat, wonach Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, in ihrer Freizeit ständig erreichbar zu sein, sah der österreichische Gesetzgeber bislang keinen Handlungsbedarf. Zwar bestehen schon jetzt vielfache Regelungen zur Arbeitszeit und zum Bereitschaftsdienst – eine klare rechtliche Einordnung der Dauererreichbarkeit am Smartphone erfolgte bislang jedoch nicht. Dies mag einerseits daran liegen, dass Mitarbeiter in den allermeisten Fällen nicht ausdrücklich zur permanenten Erreichbarkeit verpflichtet werden, sondern die ständige Erreichbarkeit mit bestimmten Funktionen im Unternehmen einhergeht. Zudem waren bislang Führungskräfte Hauptbetroffene, auf deren Dienstverhältnisse Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz ohnehin keine Anwendung finden. Soweit eine umfassende Verfügbarkeitserwartung jedoch Arbeitnehmer, die keine leitende Funktion ausüben, trifft, ist eine arbeitsrechtliche Einordnung anhand bestehender Regelungen vorzunehmen.

Formen der Bereitschaft nach geltendem Recht

Grundsätzlich trifft der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft. Beide sind im Dienstvertrag oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zu vereinbaren. Arbeitsbereitschaft gilt – anders als Rufbereitschaft – als Arbeitszeit. Der Unterschied zwischen den beiden liegt darin, dass sich der Arbeitnehmer bei Arbeitsbereitschaft an einem vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Ort aufhält und jederzeit zur Arbeitsleistung bereit ist. Bei der Rufbereitschaft darf der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei wählen und seine Zeit im Wesentlichen frei gestalten. Er ist jedoch verpflichtet erreichbar zu sein. Wird er innerhalb der Rufbereitschaft zur Arbeitsleistung im Betrieb aufgefordert, ist (nur) die Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit zu werten. Doch auch Zeiten der Rufbereitschaft sind angemessen und ortsüblich zu entlohnen.

Einordnung der Dauererreichbarkeit

Wie die Dauererreichbarkeit zu qualifizieren ist, hängt von der Erwartungshaltung des Arbeitgebers ab. Ausschlaggebend für die Einordnung sind die Intensität der Arbeitsleistung und die Frequenz der Inanspruchnahme.

Ist außerhalb der Arbeitszeit häufig mit zahlreichen „vollwertigen“ Arbeitsleistungen zu rechnen, denen der Arbeitgeber sofort nachzugehen hat, ist von Arbeitsbereitschaft auszugehen. Begründet wird dies damit, dass durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel und die häufige Inanspruchnahme, das Merkmal der örtlichen Gebundenheit der Rufbereitschaft immer mehr in den Hintergrund rückt. Erfolgen Arbeitsleistungen nur bei Bedarf, ist von Rufbereitschaft auszugehen. Die Grenzen sind fließend.

Die Dauererreichbarkeit am Smartphone stellt eine – gesetzlich noch ungeregelte – „schwächere“ Form der Rufbereitschaft dar. Ein gelegentliches, wenige Minuten dauerndes Gespräch oder das kurze Lesen eines Mails erreicht in aller Regel nicht jene Intensität Arbeitsleistung, die bei Ruf- und Arbeitsbereitschaft vorausgesetzt wird. Bei häufigerer oder länger andauernder Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen liegt jedoch eine Einordnung als Rufbereitschaft nahe. Ohne entsprechende Vereinbarung bestünde Entgeltpflicht. Zudem wären arbeitsgesetzliche Beschränkungen zu beachten.

Solange der Gesetzgeber keinen ausdrücklichen Rahmen für die Dauererreichbarkeit schafft, ist Arbeitgebern dringend anzuraten, vertragliche Regelungen vorzusehen.

Solange der Gesetzgeber keinen ausdrücklichen gesetzlichen Rahmen für die Dauererreichbarkeit am Smartphone schafft, ist Arbeitgebern dringend anzuraten, die Verpflichtungen und Rechte der Mitarbeiter bei Ausstattung derselben mit Diensthandys ausdrücklich zu regeln. Dabei wäre insbesondere auf das Bestehen einer Verpflichtung zur Erreichbarkeit, deren Ausmaß sowie gegebenenfalls (Un-)Entgeltlichkeit einzugehen. Ansonsten könnte ein böses Erwachen drohen.

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