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Verkehrssünden machen noch keinen Video-Star

von Markus Gaderer, Julia Wagner | 25.11.2019

Bild von Jan Vašek auf Pixabay

Recht am Bild: Ein Linzer Fall zeigt wie problematisch Handy-Videos werden können.

Smartphones machen es möglich. Zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit kann man der Nachwelt nicht nur bloß verfängliche Nachrichten hinterlassen, sondern auch Fotos und Videos aufnehmen und diese in Sekundenschnelle mit Freunden oder der ganzen Welt via WhatsApp, Facebook und Co. teilen. Dabei können Fotos und Videos eine hohe Eingriffsintensität für die jeweils abgebildeten Personen aufweisen. Und sie verleihen – gewollt oder nicht – dem Urheber der digitalen Aufnahme eine gewisse Macht über den Abgebildeten.

So auch kürzlich im Fall der 49-jährigen Linzerin, die im städtischen Frühverkehr vier Verkehrsunfälle verursachte und dabei per Handykamera gefilmt wurde. Welchen Weg das Video dann immer genommen haben mag, es verbreitete sich jedenfalls viral und zwar so rasant, dass es auf vielen Handys zu finden war, noch bevor in den Tagesnachrichten darüber berichtet werden konnte. Aber ist das in Ordnung? Denn in die Aufnahme und anschließende Verbreitung eingewilligt haben die Betroffenen offenkundig nicht.

Es geht um das Recht am eigenen Bild. Dieses ist Teil der Persönlichkeitsrechte, die jedermann zustehen. In Österreich ist dieses Recht in § 78 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) verankert. Schutzobjekt ist nicht der „Schnappschuss“ an sich, sondern das „berechtigte Interesse“ der abgebildeten Person, wenn sie als solche – wenn auch nur bei flüchtiger Betrachtung – im Bild erkennbar ist.

Und obwohl bereits das fotografische Festhalten vom Abgebildeten als unangenehm und einschränkend empfunden werden kann, ist das bloße Herstellen eines Fotos oder Videos (ohne Verbreitungsabsicht) nicht vom Schutz des § 78 UrhG umfasst. Sondern es ist – im Gegensatz etwa zu Deutschland – grundsätzlich zulässig.

Nur „grundsätzlich“, weil die Rechtsprechung anerkennt, dass unter besonderen Umständen auch die bloße Bildaufnahme aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des § 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) abgeleitete „berechtigte Interesse“ des Abgebildeten verletzen kann. Kann der Fotograf kein oder ein bloß geringes Interesse an der Aufnahme vorweisen und erfolgte die Aufnahme noch dazu nur „zur Belustigung“, um etwa den Abgebildeten zu ärgern, so kann bereits das Anfertigen dieses Bildes rechtswidrig sein (OGH, 6 Ob 256/12h).

Interessensabwägung nötig

§ 78 UrhG lässt sogar die Verbreitung, also die Veröffentlichung, von Aufnahmen zu, außer „berechtigte Interessen“ des Abgebildeten werden hierdurch verletzt. Bildnisschutz ist demnach kein absolutes Recht, sondern nur Interessenschutz. Die Interessen des Abgebildeten sind mit den Interessen des „Verbreiters“ abzuwägen. Wird mit der Veröffentlichung das Privatleben der betroffenen Person in der Öffentlichkeit preisgegeben, ist diese entwürdigend oder herabsetzend oder dient Werbezwecken, wird das berechtigte Interesse der Betroffenen in der Regel verletzt (Politiker und andere „public figures“ ausgenommen).

In der Interessensabwägung spielt die Erkennbarkeit der betroffenen Person eine wesentliche Rolle, je weniger deutlich diese zu identifizieren ist, desto geringer ist auch die Beeinträchtigung zu werten. Und es ist darauf abzustellen, ob die Aufnahme gezielt erfolgte – oder ob die abgebildete Person rein zufällig, z. B. beim Fotografieren einer Sehenswürdigkeit, dem Fotografen vor die Linse tritt.

Wird eine Person nur zufällig in eine Aufnahme miteinbezogen, so muss dieser Umstand von ihr eher hingenommen werden. Daneben kann eine konkret gewählte Darstellung, z. B. ein bloßstellender Begleittext zum Foto, berechtigte Interessen verletzen. Auch die Art der Verbreitung und der Rahmen sind zu berücksichtigen (OGH 4 Ob 216/13p).

Unter diesen Prämissen verwundert es nicht, dass zum Beispiel das zustimmungslose Verbreiten von Nacktbildern der ehemaligen Freundin in einer WhatsApp-Gruppe nach einer deutschen Entscheidung in die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten eingreift (OLG Oldenburg 13 U 70/17). Bildaufnahmen einer am Eingang eines Unternehmens angebrachten Überwachungskamera, um vor unbefugten Zutritten zu schützen und Sachbeschädigungen, Diebstählen und Ähnlichem entgegenzuwirken, sind hingegen grundsätzlich erlaubt. Die zitierte deutsche OLG-Entscheidung ist für den Linzer Fall aber schon deswegen interessant, weil dabei nicht der Ex-Freund, der die Aufnahmen an seine neue Freundin sandte, der Beklagte war, sondern jene Person, die die per WhatsApp erhaltenen Fotos wiederum eigenständig per WhatsApp an andere weiterleitete.

Nacktfoto anders als Autounfall

Die Gretchenfrage ist, ab wann eine Verbreitung öffentlich wird und wann eine Verbreitung die Privatsphäre verlässt. Die Antwort darauf kann nur einzelfallbezogen gegeben werden, und vor allem ist dabei die Interessensabwägung einzubeziehen.

Sie ist bei der Weiterleitung von Nacktfotos anders zu beurteilen als bei der Weiterleitung eines Videos über einen Autounfall, in dem das Gesicht der betroffenen Lenkerin nur kurz im Profil zu sehen ist. Im ersten Fall wird schon die erste Weiterleitung an einen einzigen Dritten in die berechtigten Interessen der Abgebildeten eingreifen; im zweiten Fall erst das weitere massenhafte Weiterleiten an einen quasi uneingeschränkten Empfängerkreis. Solche Bild- oder Videoveröffentlichungen bergen auch datenschutzrechtliche Aspekte in sich. Zum Grundsatz, dass jeder einen Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden (Bild-)Daten hat, kommt im Linzer Fall hinzu, dass die konkrete Aufnahme ein (verwaltungs-)strafrechtlich relevantes Verhalten zeigt. In einem solchen Fall ist laut Datenschutzgesetz (§ 4 Abs 3) zu berücksichtigen, dass das Risiko einer diskriminierenden Verwendung bei der Verarbeitung solcher Daten als hoch anzusehen ist. Die Veröffentlichung der Aufnahme im Linzer Fall wäre daher ebenso unter datenschutzrechtlichen Aspekten wohl unzulässig.

Klagen und Strafen drohen

Wer das aktuelle Linzer Video illegal verbreitet, muss also neben Unterlassungs- und Schadenersatzklagen auch mit einer allenfalls empfindlichen Verwaltungsstrafe nach dem Datenschutzgesetz rechnen.

Hinweis: Dieser Beitrag erschien am am 25. November 2019 in der Tageszeitung die Presse.

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